Faszination: Caféteria

Steffen Martini

Die Parkplatzsuche war stressig wie jeden Morgen. Glücklich, dass ich den letzten Parkplatz im Wohngebiet bekommen hatte - der, wenn man einmal ganz rumfährt und dann auf der linken Seite die letzte Parktasche - stolzierte ich über den Schulhof Richtung Caféteria. Entgegen schallte mir ein lautes "Wer signed dich nicht, weil du zu scheiße bist? Aggro Berlin, Aggro Berlin...". Erfreut, dass ich dieses niveauvolle Hip Hop Gefronte nur die Pause über durchstehen musste, bahnte ich mir den Weg durch die Raucher und deren Kippen, die den Schulhofboden aussehen ließen, als ob ich über das Gesicht eines 15-jährigen, von Akne geplagten Teenies gehen würde.

Bevor ich die Tür öffnete, fiel mir wieder auf, dass ca. 98% der 11er rauchten und 97,9% damit erst angefangen hatten, als sie in die Oberstufe kamen. Die Tür musste ich dann auch nicht mehr selber öffnen, ich bekam sie ins Gesicht geschlagen von einem 11er, der gnadenlos beim Kicker verloren hatte, das noch lustig fand und Richtung Mensa hüpfte, um ein Säftchen zu kaufen. Mein Blick fiel auf Christian L. und Johannes K., beide standen mit den Armen verschränkt, wie zwei ausgehungerte Löwen am Kicker und warteten auf ihr Beute. Seitdem die neuen 11er da waren, hatten die Beiden mindestens 8 Kilogramm zugenommen, weil sie pro Tag ungefähr 3 Säftchen, Kirschsäftchen, gewannen. Die Cafeteria war vollgestopft mit Schülern. Der Grund: Das Info war geschlossen - Rohrbruch!

Somit befanden sich die Kartenspieler-Gang, die Lern- und Hausaufgaben AG, die Satan/Metal-Gang und weitere Schüler, die ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte, in einer für sie völlig neuen Umgebung der Caféteria. Deshalb wurde mein Weg in Richtung rettender Treppe noch schwieriger und nervenaufreibender, als er ohnehin schon war. Ich kämpfte mich an den unzähligen 11er Pärchen vorbei, bei denen man oft nicht erkannte, wer hier den männlichen und wer den weiblichen Part übernahm. Endlich erreichte ich die Treppe. Schweißgebadet schritt ich sie hinauf. Auf der letzten Stufe blieb ich stehen, drehte mich noch einmal um und überblickte die Caféteria. Von der letzten "Renovierung", die erst 5 Monate her war, war rein gar nichts mehr zu sehen. McDonalds Verpackungen und andere unidentifizierbare Dinge schmückten den Boden. Für kurze Zeit dachte ich sogar eine Ratte gesehen zu haben. Bei genauerem hinschauen fiel mir jedoch auf, dass es sich um einen 12er handelte, "Krusty den Clown". Entsetzt wandte ich meinen Blick wieder Richtung Empore.

Noch drei Meter trennten mich von meinem Ziel - einem Sessel, der mir für die restliche Zeit der Pause eine Sitzgelegenheit bot. Doch auch dieser kurze Weg wurde zu einem Abenteuerparcours. Zunächst musste ich Philipp A. ausweichen, der wieder seinen Moonwalk quer durch die Caféteria praktizierte, anschließend prallte wie ein Kanonengeschoss Jens S., abgefeuert von Johannes S., gegen mich. Es kam mir wie ein kleines Wunder vor, als ich im Sessel versank. Meine letzte Hoffnung galt dem Pausengong, der diese beenden würde und mich Richtung Englisch-LK hinaus aus der Hölle des MGM befördern würde. Ich wusste, dass es bis dahin nicht mehr lang sein würde und dass ich "A Doppel-Ge Er O" noch kurze Zeit ertragen könnte. Doch dann durchstieß die folgende Nachricht mein Herz: "Englisch fällt aus!". "Neeein, ich hätte es mir denken können!" Ich verlor den Glauben an mich selbst und kapitulierte vor der Last dieses Aufenthaltsraumes: Ich stand auf, trudelte Richtung Martin B. und Patrik S., die in aller Ruhe Strippoker auf dem Kühlschrank spielten, dabei zu Patriks Gitarrenmusik sangen, und gesellte mich zu ihnen. Beide nahmen mich freundlich auf und ich entledigte mich meiner Hose ...

Wenn man es in diesen vier Wänden aushalten will, muss man einfach mit dem Strom schwimmen!

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